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Max Pallenberg (* 18. Dezember 1877 in Wien, Österreich-Ungarn; † 26. Juni 1934 bei Karlsbad, Tschechoslowakei) war ein österreichischer Sänger, Schauspieler und Komiker. Er war „einer der bedeutendsten Charakterkomiker seiner Zeit“ und spielte häufig unter der Regie von Max Reinhardt.

Wsewolod Illarionowitsch Pudowkin (* 16.jul./ 28. Februar 1893greg. in Pensa; † 30. Juni 1953 in Moskau (nach anderen Quellen in Riga)) war ein sowjetischer Filmregisseur, Schauspieler und Filmtheoretiker.

Alexei Michailowitsch Granowski, russisch Алексей Михайлович Грановский, geborener Abraham Ozark, auch Alexander Granowski, in Frankreich Alexis Granowsky (* 27. September bzw. 11. Oktober 1890 in Moskau, Russisches Kaiserreich; † 11. März 1937 in Paris, Frankreich) war ein russischer Theater- und Filmregisseur.

Molière (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin; * vermutlich 14. Januar 1622 in Paris, getauft am 15. Januar 1622; † 17. Februar 1673 ebenda) war ein französischer Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker.

Henri Barbusse (* 17. Mai 1873 in Asnières-sur-Seine bei Paris; † 30. August 1935 in Moskau) war ein französischer Politiker und Schriftsteller.

Alfons Goldschmidt (* 28. November 1879 in Gelsenkirchen; † 20. oder 21. Januar 1940 in Cuernavaca, Mexiko) war ein deutscher linksintellektueller Journalist, Wirtschaftswissenschaftler und Hochschullehrer.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#802 Brief an Ludwig Lore

Datierung 1929-01-10
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 3 S., T

Provenienz AdK, Berlin, Ernst-Toller-Archiv, Nr. 182 (Kopie)
Briefkopf -
Poststelle -
Personen Lore, Ludwig
Pallenberg, Max
Kretchmer, Herman Gabriel
Pudowkin, Wsewolod Illarionowitsch
Granowski, Alexei
Molière
Barbusse, Henri
Goldschmidt, Alfons
Toller, Ernst
Lore, Ludwig
Institutionen Frayheyt
Theatre Guild
Berliner Tageblatt
PEN-Club
New Yorker Volkszeitung
Bett, Simon & Co.
Werke Masse Mensch
Die Maschinenstürmer
Der deutsche Hinkemann
Das Schwalbenbuch
Justiz-Erlebnisse
Deutsche Revolution (Rede)
Hoppla, wir leben!
Bourgeois bleibt Bourgeois
Henri Barbusse
Ernst Toller

10. Jan. 1929

Herrn

Ludwig Lore ,

New York , N. Y.

47 Walker Street

New Yorker Volkszeitung

Lieber Genosse Lore,

ich kabelte Ihnen gestern:

„Zustimme selbstredend Eurem Brief, letztes Kabel absandte Rechtsanwalt eigenmächtig, Abreise erst Ende März möglich, abwartet unbedingt vor Beginn Propaganda Brief, Toller“.

Ihr Brief hat mich wirklich berührt. Ich versichere Sie, dass ich nicht die Spur eines Misstrauens gegen Sie habe. Jenes Kabel, in dem die Forderung nach Überweisung der sämtlichen Honorare erhoben wurde, hat mein Rechtsbeistand eigenmächtig aufgegeben. Er hat es gewiss in guter Absicht getan, denn er kennt Ihre Organisation nicht, und seine Erfahrungen mit den amerikanischen Theatern und Verlegern sind die denkbar schlechtesten. Es ist ihm z. B. nicht gelungen, die Tantiemen von etwa 70 Aufführungen meines Dramas „Hinkemann“, das im Jiddischen Theater unter dem Titel „Blutiges Gelächter“ aufgeführt wurde, einzuziehen, ebensowenig wie das Honorar für die Buchausgabe, die im Verlag „Freiheit“, von Liliput übersetzt, erschien. Bitte sagen Sie allen Genossen, dass ich das Missverständnis aufrichtig bedauere.

Ich würde am 22., 28. März oder 5. April abfahren. Es wäre mir lieb, wenn Sie vierzehn Tage vorher etwa 500 Dollars meinem Conto beim Bankhaus Bett Simon & Co, Berlin W., Mauerstr. 53, überwiesen. Eine Weile habe ich mir überlegt, ob ich Ihnen nicht den Vorschlag machen soll, die Vorträge erst im Herbst zu beginnen, und es leiteten mich folgende Gründe:

1.) ich schreibe gegenwärtig das Drehbuch zu dem Film „Hinkemann“, der, wenn er gelingt, eine Chronik der deutschen Revolution werden wird. Als Regisseur ist ein grosser russischer Film-Regisseur, voraussichtlich Pudowkin, bestimmt,

2.) hätte im Herbst die Aufführung in New York von „Bourgeois bleibt Bourgeois“ stattfinden können.

Aber, wie Sie mir schreiben, ist die Theatre Guild bereit, das Werk schon im Frühling herauszubringen. Ich schlage der Theatre Guild vor, sich sofort an Direktor Alexi Granowsky, den früheren Leiter des Jiddischen Staatstheaters, einen der grössten lebenden Regisseure, der ausserordentliche Erfolge in Moskau, Paris und Berlin hatte, zu wenden und ihn zu ersuchen, die Inszenierung im März oder April zu übernehmen. Granowsky hat mir erklärt, dass er dazu bereit wäre. Er beherrscht die englische Sprache. Gegebenenfalls würde auch Pallenberg nach New York kommen.

Gern beantworte ich Ihre Fragen:

a) für die Vorträge möchte ich 30 bis 35 Tage zur Verfügung stellen, ich glaube, die Anstrengungen werden recht gross sein.

b) Die Zahl der Vorträge muss nicht unbedingt 25 sein, es könnten auch einige mehr werden.

c) Ich spreche ein wenig englisch, will mich aber in den nächsten Wochen noch vervollkommnen und hoffe, bei meiner Ankunft in New York die Sprache einigermassen zu beherrschen. Aus englischen Übersetzungen meiner Werke kann ich auf jeden Fall lesen, ebenso könnte ich kurze englische Ansprachen nach Manuskripten halten.

d) Folgende Bücher von mir sind ins englische übersetzt: „The Machine Wreckers“, („Maschinenstürmer“), „Masse Mensch“, (2 englische Ausgaben: „Masses and Man“ und „Mob and Man“), „Hinkemann“, („Brokenbrow“), „Hoppla, wir leben!“ („Hopla!“) und „Das Schwalbenbuch“ („The Swallow Book“). Ich würde Ihnen vorschlagen, aus dem Buch „Justizerlebnisse“, das ich Ihnen mit gleicher Post zuschicke, Kapitel, die Amerika besonders interessieren könnten, zusammenzustellen und in einem kleinen Band herauszugeben. Als Vorwort könnte ein Aufsatz dienen, der in den nächsten Tagen im „Berliner Tageblatt“ erscheinen wird. Ich bekam nämlich die Aufforderung, über meine Werke zu schreiben, und zwar in einer Form, als ob ich zu zwölfjährigen Schülern spräche.

e) Soll das Manuskript von „Bourgeois bleibt Bourgeois“, einer musikalischen Komödie, die mit dem Stück von Molière „Bourgeois Gentilhomme“ beginnt (das Stück ist allerdings im Dialog und im Aufbau völlig neugeformt und verkürzt), und deren zweiter Teil im Jahre 1929 spielt, wo die Personen des Molière’schen Stückes als moderne Kaufleute, Hochstapler usw. auftreten, in Berlin übersetzt werden oder soll ich veranlassen, dass es sofort nach New York geschickt wird?

f) Ich möchte noch einmal die Themen der Vorträge nennen, die ich halten könnte: (und zwar könnte man verschiedene Themen stets für einen Abend verbinden)

1.) Rede über die deutsche Revolution (ich füge ein Exemplar der in Berlin gehaltenen Rede, die ich in Amerika mit Rücksicht auf die mangelnde Kenntnis erweitern und vereinfachen würde, dem Justizbuch bei),

2.) Geistige Strömungen in der modernen deutschen Kunst, insbesondere im Drama,

3.) Erlebnisse in der Revolution, insbesondere Justizerlebnisse,

4.) Gefängnisse in verschiedenen Staaten (Russland und Deutschland),

5.) Rede über Henri Barbusse,

6.) Vorlesung aus eigenen Werken. (Das würde keine der üblichen Dichtervorlesungen sein, da ich, wie man mir sagt, ziemlich starke Lesebegabung habe und in Europa ziemlich häufig sprechen muss.)

Ich glaube, diese Themen genügen, aber ich könnte, nach Rücksprache mit Ihnen, auch andere wählen. Ich bin überzeugt, dass diese Dinge keine Schwierigkeiten bereiten werden.

Kabeln Sie mir bitte gleich, ob Ihnen die Vortragstournee im Frühling oder im Herbst lieber ist. Mir wäre es egal. Ich habe viel Arbeit vor mir (ich beginne nämlich, meine Erlebnisse niederzuschreiben; eine Arbeit, mit der ich 1 bis 2 Jahre beschäftigt sein werde.)

Gestern sagte mir Alfons Goldschmidt, dass ich nach Mexico eingeladen werde. Pudowkin will einen grossen Mexicofilm drehen, Goldschmidt und ich sollen das Exposé schreiben. Sind April und Mai für Amerika gute Vortragsmonate?

Ihren prinzipiellen Ausführungen über Sinn und Zweck meiner Reise stimme ich in allen Punkten zu. Ich kenne ein wenig die amerikanischen Verhältnisse und bin überzeugt, dass die Vortragstournee nur dann fruchtbar wird, wenn man sie mit Ideen wie den Ihren organisiert. Als ich vor zwei Jahren nach Amerika kommen sollte, schrieb man mir, dass mich die „Nation“ und der „PEN-Club“ einladen wollten, ebenso einige Universitäten. Soll ich diese Einladungen annehmen?

Ich werde mich wirklich freuen, wenn ich Sie Alle ein wenig bei Ihrer schweren Arbeit unterstützen könnte. Dass ich als Redner eines Verbandes auftrete, der Arbeitern der verschiedenen Fraktionen offen steht, ist mir besonders wertvoll.

Ich grüsse Sie und alle Kameraden brüderlich

Ihr