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Stefan Großmann (* 18. Mai 1875 in Wien; † 3. Januar 1935 ebenda) war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist. Er war Begründer und Herausgeber der politischen Wochenschrift Das Tage-Buch.

Siegfried Jacobsohn (* 28. Januar 1881 in Berlin; † 3. Dezember 1926 in Berlin) war ein deutscher Journalist und Theaterkritiker jüdischer Abstammung.

Walter Hasenclever (* 8. Juli 1890 in Aachen; † 21. Juni 1940 in Les Milles bei Aix-en-Provence) war ein expressionistischer deutscher Schriftsteller.

Erwin Friedrich Max Piscator (* 17. Dezember 1893 in Ulm, heute zu Greifenstein (Hessen) gehörig; † 30. März 1966 in Starnberg) war ein deutscher Theaterintendant, Regisseur und Theaterpädagoge. Piscator war ein einflussreicher Avantgardist der Weimarer Republik.

Arthur Holitscher (* 22. August 1869 in Pest; † 14. Oktober 1941 in Genf) war ein Reiseschriftsteller, Essayist, Romancier und Dramatiker.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#489 Brief an Betty Frankenstein

Datierung 1926-10-25
Absendeort Clamart, Frankreich
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 3 S., M + Kuvert

Provenienz DLA Marbach, Bestand A:Toller, Zugangsnr. 62.199/20
Briefkopf -
Personen Frankenstein, Betty
Frankenstein, Betty
Großmann, Stefan
Jacobsohn, Siegfried
Hasenclever, Walter
Piscator, Erwin
Holitscher, Arthur
Levy, Alexander
Toller, Ernst
Institutionen Die literarische Welt (Berlin)
Volksbühne Berlin
Die Weltbühne (Berlin)
Das Tage-Buch (Berlin)
Werke Die Wandlung
Hoppla, wir leben!
Berlin 1919

Liebe Betty,
es ist Zeit, daß wir uns sprechen: ich sehe Sie vor mir, abgearbeitet, gehetzt, müde und scheuer denn je. Und ich habs auch nötig, wie sagt unsere Journaille, es ist 5 Minuten vor 12 – – Dann bekam ich die Nachricht, daß Mutter sehr krank war (Gallenkolik), es geht ihr jetzt besser, aber ich bin doch unruhig.

Wie neugierig Sie sind. Also: in der ersten Woche wohnte ich in einem Hotel im Quartier Latin. Dann bot mir Hasenclever, der nach Deutschland fuhr, seine Wohnung an. In der lebe ich, komme nicht allzuoft nach Paris, tue so ungefähr das Gegenteil von dem was sich „der Berliner“ von in Paris leben vorstellt.

Liebe Freundin, ob Sie Freude an mir haben werden – ich glaube nicht. Ein Strick nach dem andern, und es sind wirklich nur noch Zwirnsfäden, reißt, ich gebe keinem andern Schuld, und mir nur manchmal. Und die Schwermut, die auf mir hockt, wie ein Schinder von Reiter, lullt mich nicht etwa ein, hat nichts von Rührseligem, ich ekle mich vor ihr, sie erscheint mir ebenso sinnlos wie –

Über „Vorheucheln“ werden Sie sich nun nicht beklagen. Auch in Berlin nicht. –

Den Aufsatz von A. L. in der Weltbühne (auch den im Tagebuch, sein Feldzug-Kreuzzug wird systematisch) habe ich gelesen. Ich spreche nicht von sachlichen Einzelheiten (er hat nicht mit allem Unrecht, das wissen Sie selbst), der Artikel als Ganzes pestet von dem widerlichen Atem eines Mannes, der, das kann ein Blinder merken, nicht aus heiligem, ernstem Eifer kämpft, sondern aus schmieriger Ranküne. Sie schreiben mir, immer war Ihnen bewußt, daß Sie die Sterne vom Himmel herunter holen wollen. Nicht nur Ihnen. Vor diesem reinem Willen hat auch der Mensch, der nicht oder nach andern Sternen greift, den Hut zu ziehen. (Ob man die Sterne herunter holen kann? Ich glaube, man kann sich losschnellen, hin zu ihnen und sich im Fliegen erfüllen oder das Genick brechen, was manchmal das Gleiche ist).

Wer Gefahren für die Sache in der er ficht sieht, muß Kritik üben, härteste, aber nicht Schmutz geifern. Darum verstehe ich nicht, daß A. H. sich in eine Front stellen will.

Und S. J., St. Gr. – kannten Sie die nicht? –

– Die Bücher sind noch nicht abgeschickt, bitte beunruhigen Sie sich nicht.

Das L. W.-Abonnement habe ich bezahlt. Volksbühne will die Wandlung nicht spielen, von P. kam ein Brief. Man will das neue Stück, aber ich gebe nichts weg, zu dem ich nicht stehe. Das Schlimmste ist wohl, daß ich an mir beobachte, wie gleichgiltig mir solche Briefe sind. Verschlackt, verödet.

Ihr

E. T.

Clamart 25. Okt. 26.

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