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Erich Gustav Otto Engel (* 14. Februar 1891 in Hamburg; † 10. Mai 1966 in Berlin) war ein deutscher Film- und Theaterregisseur. 

Max Reinhardt (ursprünglich Maximilian Goldmann; * 9. September 1873 in Baden (Niederösterreich); † 31. Oktober 1943 in New York) war ein österreichischer Theater- und Filmregisseur, Intendant, Theaterproduzent und Theatergründer. 

Peter Scher (* 30. September 1880 in Großkamsdorf; † 23. September 1953 in Wasserburg am Inn; eigentlich Fritz Hermann Schweynert) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. 

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#477 Brief an Betty Frankenstein

Datierung 1926-08-13
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., M

Provenienz DLA Marbach, Bestand A:Toller, Zugangsnr. 62.199/14
Briefkopf -
Poststelle -
Personen Frankenstein, Betty
Engel, Erich
Reinhardt, Max
Okun, Sonja
Scher, Peter
Toller, Ernst
Frankenstein, Betty
Institutionen Zionistische Vereinigung für Deutschland
Werke Berlin 1919

Liebe Betty,

da „man“ in Berlin stets alles und ein bißchen mehr als alles weiß, hätte ich mich gar nicht gewundert, wenn ein Gerücht zu Ihnen gedrungen wäre...

Also Sie haben eine neue Wohnung, ich wünsche Ihnen daß Sie sich einleben und Ihren „Grüabigen“ dort haben. (‚Grüabigen‘ – wie gut war die Episode, von der Scher erzählte „der Herr muß a russische Zigarette racha.“ „Mir san in Bayern“. Die Stadt der Überspießer in Permanenz). Ich verfolgte Ihre verschiedenen Annoncen mit einiger Besorgnis, Sie haben einige Wochen doch vergeblich suchen müssen. Hat niemand geholfen? Schönen Dank für den süßen Gruß. Das müssen Sie aber nicht tun, ich denke wirklich auch so mit morgenlichen und abendlichen Gedanken an Sie.

Ein Bücherpaket ist bisher nicht angekommen. Was war darin?

Sogar mit Ihrem Zentralbüro war ich eine Zeitlang, auf Umwegen sozusagen, verbunden. Erich Engel, der Regisseur von Reinhardt, sonnte sich in Bandol für drei Wochen, mit ihm seine Freundin Sonja, die in der Meinekestr. bedienstet ist. (Aber nicht denken, daß wir schwätzten. Sie weiß gar nicht, daß ich Sie kenne).

– Alle Tage gleich blauer Himmel. Wundervolle Farben hat das Meer. Und das Wetter dort? Regnet es viel?

Drinnen siehts gegenwärtig nicht sonderlich aus. Ein toter Punkt, richtiger, eine tote Woche schon.

Wie lange ich hier noch bleibe, ist unbestimmt. Sähe ich nur irgendwo sinnvolle Arbeit für mich, die ich wirklich leisten könnte. Es kommt mir manchmal vor, als sei ich ausgedörrt und ausgetrocknet. Und mit gutem Gewissen faulsein, nichts als faulsein, vermag ich nicht. (Das Drama – wer weiß, ob mir nicht auch das entglitscht.) –

Nimmt das Volk am Magdeburger Gerechtigkeitskarussell teil? Öffnet es ihm endlich die Augen über die Pest von Justiz, die Deutschland verseucht? Diese Burschen von „Richtern“! Haben sie gelesen, daß ein kommunistischer Redakteur für eine harmlose Kritik zu neun Monaten (275 Tagen) Gefängnis verurteilt wurde. Und was noch so alles in Zuchthäusern sitzt! Allein in Bayern!! Nein, diese Schmach ertrüge ein anderes Volk nicht.
Leben Sie wohl, Liebe.

Ihr

E. T.

13. Aug. 26.

(Wissen Sie zufällig, ob „die Frau“ dort ist, oder verreist. Wo? Allein?)