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Anton Graf von Arco auf Valley (* 5. Februar 1897 in St. Martin im Innkreis; † 29. Juni 1945 in Salzburg) war ein deutscher Adliger. Er ermordete am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#370 Brief an B.

Datierung 1924-05-09
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 410).
Poststelle -
Personen B.
Arco auf Valley, Anton Graf von
B.
Toller, Ernst

9.5.24

An B.

Lieber Freund,

der Mörder des bayrischen Ministerpräsidenten, Graf Arco, war zu Festungshaft begnadigt worden. Aber er wurde nicht etwa in die Festungsanstalt überführt, in der die sozialistischen Gefangenen ihre Strafen verbüßen mußten, für ihn eröffnete man eine eigene Anstalt in Landsberg am Lech. Ihn trafen nicht die neuen Bestimmungen über Strafvollzug. Er durfte unbeaufsichtigt Briefe empfangen, durfte ungehindert Licht brennen, in monarchistischen Blättern monarchistische Aufsätze veröffentlichen, Spaziergänge in die Stadt machen, auf einem Gut in der Nähe von Landsberg die Landwirtschaft erlernen.

Den zu lebenslänglicher Festungshaft Verurteilten begnadigte die bayrische Regierung im Jahre 1924. Die amtliche Mitteilung lautet: „Die Strafverfolgung gegen den Grafen Arco wurde auf Grund eines Ministerratsbeschlusses am 13. April 1924 mit Aussicht auf spätere Bewilligung einer Bewährungsfrist unterbrochen.“

Dazu schrieb der „Miesbacher Anzeiger“ am Donnerstag, dem 17. April 1924:

„Seine Freilassung geschah nach der aus dem Hitlerprozeß übernommenen Formel der Strafunterbrechung mit Aussicht auf Bewährungsfrist, die er auch einhalten kann, da es in Bayern ja keine Tyrannen mehr zu beseitigen gibt. Er ist inzwischen 27 Jahre alt geworden, gewachsen, breit geworden, ein fester Kumpel, und soll sich jetzt seines Lebens freuen, wie seiner Tat fürs Vaterland.“

Über den ersten Empfang in der Freiheit berichtete die „Münchner Post“:

„Der begnadigte Eisner-Mörder Graf Arco wurde am 6. Mai bei seiner Rückkehr in sein Schloß St. Martin im Innkreis von der Bevölkerung des Dorfes auf das lebhafteste gefeiert. Die erste Begrüßung vollzog am Nachmittag die Gemeindevertretung mit dem Bürgermeister an der Spitze, ferner die Beamtenschaft und Abgeordnete sämtlicher Ortsvereine. Abends versammelte sich das Volk in einem Lampionzug mit Musik vor dem Schloß. Hieran schloß sich im Schloßhof ein geselliges Beisammensein, bei dem mehrere Reden auf den heldenhaften Grafen gehalten wurden. Spätnachts wurde der junge Arco unter brausenden Hochrufen und Fahnen und Musik ins Schloß geleitet.“