Arthur Holitscher (* 22. August 1869 in Pest; † 14. Oktober 1941 in Genf) war ein Reiseschriftsteller, Essayist, Romancier und Dramatiker.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#298 Brief an Arthur Holitscher
Datierung | 1923-06-10 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 4 S., M |
Provenienz | DHM, Berlin, Inv. Nr. Do 52/2537 |
Briefkopf | - |
Poststelle | - |
Personen |
Holitscher, Arthur
Toller, Ernst Holitscher, Arthur |
Institutionen |
Krasnaija Nov (Moskau)
Gosisdat |
Werke |
Der deutsche Hinkemann
Der entfesselte Wotan |
Lieber Genosse Holitscher,
nun ist das Manuskript meiner Komödie „Der entfesselte Wotan“ in den Händen des Vertreters des Russischen Staatsverlages. (Es bedarf nur noch einiger Ergänzungen.) Der Genosse ist unterrichtet, daß ich den ersten Abdruck der Krasnaja Nova vorbehalten habe, und er versprach mir, die Weiterleitung des Manuskripts zu übernehmen. –
Nein, lieber Genosse Holitscher, das Auf und Ab der Meinungen der „Geistigen“ ficht mich nicht an. (Ich glaube fast, Sie mißverstanden die Stelle über die „Geistigen“ in meinem letzten Brief. Ich meinte nicht den Wandel ihrer Haltung zu meinen Arbeiten, ich meinte den Wandel ihrer Haltung zur Revolution.) Wesentlicher, beglückender als alle Dokumente der „Geistigen“ sind mir die vielen Briefe von Proletariern, die mir bestätigen, daß ich nicht für Ästheten schaffe, daß mein Werk den besten der kämpfenden, bewußten Werktätigen Verpflichtung … bedeutet. –
Kam mein „Hinkemann“ an? Ich wollte Ihnen als Widmung einige Sätze einschreiben, vergaß es aber leider. Sie lauteten: „Jede Tragödie des Individuums ist gleichzeitig eine Tragödie der Gesellschaft. Es wird in jeder Gesellschaft Individuen geben, deren Leid unauflöslich ist. Auch die Glücksmöglichkeiten des Kommunismus sind tragisch begrenzt. Es gibt also eine Tragödie des Kommunismus.“ – Keiner von uns darf sich die Schwäche gestatten, sich über diese tragische Grenze zu täuschen. Aber nur der Tor kann glauben, es müßte einer, weil er die Grenzen sieht, minder leidenschaftlich wirken. –
Sie haben ein tiefes, schönes Wort in Ihrem Brief geschrieben: Alles verstehen, aber nur das Verzeihliche verzeihen. Man hat diese Wahrheit in unserer Zeit, die ihre Schludrigkeit und ihren Libertinismus, ihre vollkommene Instinktlosigkeit gegenüber Werten und Unwerten – Liberalität heißt, vergessen.
Ich fühle Ihnen nach, daß auch die Freiheit heute Fesselung bedeutet. Ebenso sehnsüchtig, wie ich die Freiheit erwarte, ebenso lähmend befällt mich ein Gefühl des Widerwillens, denke ich an die Betriebsamkeit der Vielen.
Ich grüße Sie herzlichst, lieber Genosse,
Ihr
Ernst Toller.
Fest Niederschönenfeld,
10. Juni 23.