Stefan Großmann (* 18. Mai 1875 in Wien; † 3. Januar 1935 ebenda) war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist. Er war Begründer und Herausgeber der politischen Wochenschrift Das Tage-Buch.
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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.
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#264 Brief an Stefan Großmann
Datierung | *1922-??-?? |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief
|
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 343). |
Personen |
Großmann, Stefan
Stuhlfeld, Willy Toller, Ernst Großmann, Stefan |
Werke | Masse Mensch |
An den Herausgeber des „Tagebuch“.
Daß die Frage nach der Berechtigung der Zensur erörtert wird, ist ein Zeichen dafür, daß heute im Volk künstlerische Instinkte fehlen. Die radikale Lösung der Zensurfrage wäre die ästhetische Bildung des Volkes.
Träger staatlicher Zensur sind Leute, die den stattlichen Namen „Staatsorgane“ tragen. Hinter dieser „eisernen Maske“ stecken verknöcherte Bürokraten, mit engen Stirnen und paragraphenweiten Horizonten. Wer staatliche Theaterzensur fordert, muß in der Lage sein, die Kriterien anzugeben.
Der Reaktionär wird in einem Drama „Aufhetzung zum Klassenhaß“ finden, das für den Sozialisten Pathos der Gerechtigkeit hat.
Weil ich in meinem Drama „Masse Mensch“ die Zunft der Börsenjobber zeichnete, fühlten sich diese bemüßigt, ihre Presse Tamtam schlagen zu lassen und chauvinistische Juden gegen mich auf den Plan zu rufen. Die „berechtigten Gefühle weiter Kreise“ waren verletzt, ein Theaterskandal, (der von den Hakenkreuzlern schon viele Wochen vorher, trotz Unkenntnis des Dramas, angekündigt war), hat stattgefunden, die weiteren öffentlichen und geschlossenen(!) Aufführungen wurden verboten. Und keine freiheitliche bürgerliche Zeitung legt gegen diese Verletzung der Reichsverfassung Verwahrung ein. Einzig der Nürnberger Theaterdirektor, gestützt auf den zur Münchner Regierung in Opposition stehenden Nürnberger Stadtrat, hatte den Mut, weil das Verbot gesetzwidrig war, weitere geschlossene Aufführungen anzusetzen und durchzuführen.
Morgen können die Henker sich beschweren, weil ein Autor das Köpfen nicht sittlich genug gewürdigt hat. Und die Regierung wird, wenn der Autor eine mißliebige Persönlichkeit ist … (hier träte die Festungszensur in Tätigkeit.)
Die demokratische Freiheit ist für keine reaktionäre Regierung Tabu. Wird die Freiheit der Kunst den Machthabern unbequem, und fühlen sie sich stark genug, werden sie Zensur einführen, trotz aller Proteste „bekannter Literaten“.