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Thomas Mann (* 6. Juni 1875 in Lübeck; † 12. August 1955 in Zürich) war ein deutscher Schriftsteller. Er emigrierte 1933 in die Schweiz und 1939 in die USA.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#203 Brief an Ernst Peter Tal

Datierung 1922-03-17
Absendeort *Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 2 S., T (Auszug, Abschrift)

Provenienz Thomas-Mann-Archiv, ETH Zürich, B-V-TOLL-2
Briefkopf -
Personen Tal, Ernst Peter
Toller, Ida
Mann, Thomas
Toller, Ernst
Tal, Ernst Peter
Werke Die Maschinenstürmer

Abschrift

Aus dem Brief Ernst Tollers an Ernst Peter Tal vom 17.III.22

Sie boten mir Ihre Bereitschaft an, für meine Freilassung einzutreten, und ich musste Ihr so gütiges Anerbieten aus Gründen, die Sie würdigen werden, ablehnen.

In einer anderen Angelegenheit aber nehme ich Ihre Hilfe in Anspruch: wollen Sie mir helfen, einen kurzen Urlaub von zwei bis drei Wochen zu bekommen?

Ich könnte

endlich einmal meine Mutter, eine alte kranke Frau, die aus Gesundheitsrücksichten nicht hierher zu reisen vermag, besuchen –

ich könnte

etlichen Proben der „Maschinenstürmer“ beiwohnen. (Brauche ich auch nur anzudeuten, was dieses Ereignis für mich, der noch keins seiner Werke Leben gewinnen sah, bedeuten würde?! Jeder Einsichtige wird begreifen, um welche Entfaltungsmöglichkeiten ich bereichert würde) –

ich könnte

meine vollkommen in Unordnung geratenen materiellen Verhältnisse regeln.

Dass ich mich durch mein Wort verpflichten würde, im Urlaub mich nicht politisch zu betätigen und zum festgesetzten Termin wieder in Niederschönenfeld zu sein, versteht sich.

Meine Strafdauer beträgt fünf Jahre. Am 5. Juni habe ich drei Jahre „verbüsst“.

Sie wiesen auf Thomas Mann hin. Er mag die rechte Persönlichkeit sein. Doch müsste er vorher wissen, dass er meines menschlichen Dankes gewiss sein darf, nicht aber der mindesten Gefühlsspur „rücksichtsvoller“ Dankbarkeit. (Wird er, dessen gerade starke Persönlichkeit auch dem Gegner, dem politischen Gegner, Achtung abzwingt, wahrscheinlich auch nicht wünschen.) Wenn ich seine Mithilfe in Anspruch nehme, so nur deshalb, weil mir hier eine Verpflichtung überparteilicher Solidarität vorzuliegen scheint. Und weil – ach was, es sei offen gesagt, ich weiss, dass er mich nicht mit den Augen des Bürgers sieht, dass er, quand même, einer der seltenen „gentlemen“ unter den Schriftstellern ist.