#194 Brief an K.
Datierung | 1922-02-07 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief |
Provenienz | Original nicht ermittelt. |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 338f.). |
Poststelle | - |
Personen |
K.
K. Toller, Ernst |
Beschlagnahmter Brief
7.2.1922
An K.
Daß die Republik die Errichtung von bewaffneten Kampfverbänden, von Bürgerwehren und Einwohnerwehren duldet, ist ein Zeichen ihrer Schwäche. Diese bewaffneten Verbände werden sie eines Tages stürzen, wenn sie nicht noch rechtzeitig die Gefahr erkennen sollte.
Im bayrischen Nationalrat habe ich schon im Dezember 1918 auf Grund umfassenden Materials, das mir übergeben wurde, folgendes feststellen können: Daß diese Bürgerwehren, die angeblich zum Schutze der Republik (oft mit Duldung und Förderung republikanischer und sozialistischer Staatsmänner, die hinter ihrem Rücken ob ihrer Gutgläubigkeit ausgelacht wurden) errichtet wurden, von vornherein von den reaktionären Kräften als eine Gegenbewegung gegen die sozialistischen Arbeiter gedacht waren. Offiziere, Industrielle, Reaktionäre aller Schattierungen, Studenten und Abenteurer fanden sich zusammen, um vor den Augen der Republik ihr Söldnerheer gegen die Republik zu gründen. Der Bolschewismus wurde als Schreckgespenst zum Vorwand genommen, aber gemeint war die Republik. Man gab vor, im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ruhe zu wirken und organisierte im Geheimen alle Vorbereitungen zu einem militärischen Umsturz. Man versah sich reichlich mit Waffen und errichtete Spionage- und Werbebüros. Auch wie losgeschlagen werden sollte, war vorgesehen. Die Kommunisten hätten das Parlament gestürmt, wollte man in der Stadt verbreiten.
Ich forderte damals zum Verbot dieser Verbände auf und zur Errichtung von Arbeiterwehren, leider ohne Erfolg.
Die Uneinigkeit in der Arbeiterklasse hemmt jede große Entscheidung.
In welchen Abgrund wird uns dieser Weg noch führen?