Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in Göteborg) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.
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Traugott Achatz von Jagow (* 18. Mai 1865 in Perleberg, Brandenburg; † 15. Juni 1941 in Berlin) war ein deutscher Verwaltungsbeamter und Politiker.
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Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in Göteborg) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.
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#191 Brief an Kurt Tucholsky
Datierung | 1922-01-30 |
Absendeort | Niederschönenfeld, Deutschland |
Verfasser | Toller, Ernst |
Beschreibung | Brief, 2 S., M |
Provenienz | DLA Marbach, Bestand A:Tucholsky, Zugangsnr. 86.2224/2 |
Briefkopf | - |
Publikationsort | Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 317f.). |
Poststelle | - |
Personen |
Tucholsky, Kurt
Jagow, Traugott von Tucholsky, Kurt Toller, Ernst |
Institutionen | Festungshaftanstalt Niederschönenfeld |
Verehrter Herr Tucholsky,
im Namen aller danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihre treue Bereitschaft. Die eingetroffenen Pakete verteilte ich (zusammen mit einigen Kameraden) gleichmäßig an alle Gefangenen.
Das Geld schickte ich der Münchener Polit. Frauenhilfe mit der Bitte, tausend Mark an zehn besonders bedürftige Familien von Zuchthausgefangenen, den Rest als Sonderunterstützung an alle Festungsgefangenen (zu gleichen Teilen) zu verteilen. Das geschah. (Jeder Gefangene bekam 24 Mark).
Die Verteilung verlief nicht ohne Reibereien und kleinliche Gehässigkeiten – aber ist es nicht selbstverständlich, daß alles, was sich in den Gemütern, besonders der vegetativen Menschen, in diesen Haftjahren „aufspeichert“, den ersten besten Notausgang sucht und sich „Luft macht“. Ich war anfangs bedrückt und mißgestimmt, heute habe ich die Begleiterscheinungen „vergessen“, d. h. ich habe mich bemüht, sie als Erscheinungen der Gefangenenpsyche zu begreifen, und da ich sie begriff, verloren sie ihren Stachel. –
Vor mir liegt die Berliner Illustrierte Zeitung. Herr von Jagow wandert mit lustig schlenkerndem Spazierstöckchen durch die Leipziger Straßen zum Reichsgericht. Wie harmlos und friedlich sieht sich dieses Bildchen an. Ein kleines Idyll der Deutschen Republik. Da hat man mich mit ganz anderen Ehren geleitet. Vor mir fuhr – nun es war auch 1919 – ein Lastauto mit vier M. G., fünfzig Mann und etlichen Offizieren, dann kam mein Auto, in dem ich, an beiden Händen treulich behütet, mit drei Polizisten und einem Offizier saß, hinter diesem Auto fuhr wieder ein Lastauto („wie vorne“). Ich habe mich mit meinen Begleitern nicht schlecht vertragen und war frappiert ob all der Höflichkeit und behutsamen Sorglichkeit der Beamten. –
Tja. Sie gehören, wie ich las, der neu gegründeten „Republikanischen Liga“ an. Erlauben Sie mir, mißtrauisch gegen neue Bünde, Vereine und Vereinchen zu sein. Ein „flammender“ Aufruf, ein „emphatisches Manifest“ … und dann? Ja, wenn man die Gewißheit hätte, daß die verschiedenen Ligisten die Deutsche Republik nicht nur im Salon verteidigen würden. Daß sie, wie Sie, Symptome alten Ungeistes in allen Formen und Mäntelchen bekämpfen. Diese „großen Bünde“ stellen meist Kameraderien dar, denen ein Schwänzchen, der breit ausladende einladende Name (Internationale Liga Soundso oder Nationale Liga Soundso) anhängt. O über die immer neue geistige Kräftezersplitterung! (Aber ich weiß wohl, daß sie anhalten wird, solange die Arbeiterparteien Gebilde sind wie die heute bestehenden).
Gute Grüße Ihres ergebenen
Ernst Toller.
Fest Niederschönenfeld, 30.1.22.
Ihr „Rheinsberg“, das ich seit meiner Knabenzeit kenne, und dessen Idiom ich in der Korrespondenz mit einer Freundin heute noch traulich pflege, habe ich mit innigem Vergnügen zum zweiten Mal gelesen.