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Romain Rolland (* 29. Januar 1866 in Clamecy, Département Nièvre; † 30. Dezember 1944 in Vézelay, Burgund) war ein französischer Schriftsteller, Musikkritiker und Pazifist.

Walter Whitman (* 31. Mai 1819 in West Hills, Long Island, New York; † 26. März 1892 in Camden, New Jersey) war ein US-amerikanischer Dichter.

Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

Romain Rolland (* 29. Januar 1866 in Clamecy, Département Nièvre; † 30. Dezember 1944 in Vézelay, Burgund) war ein französischer Schriftsteller, Musikkritiker und Pazifist.

#184 Brief an Romain Rolland

Datierung 1921-??-??
Absendeort Niederschönenfeld, Deutschland
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief

Provenienz Original nicht ermittelt.
Briefkopf -
Publikationsort Briefe aus dem Gefängnis (TW, Bd. 3, S. 326f.).
Personen Rolland, Romain
Toller, Ida
Whitman, Walt
Toller, Ernst
Rolland, Romain
Werke Gedichte der Gefangenen

An Romain Rolland.

Erst in diesen Tagen bekam ich Ihren mir so lieben Brief. Wegen seiner „Fremdsprachigkeit“ händigte mir die Verwaltung ihn nicht aus, und so mußte er an meine Mutter geleitet werden, die ihn mir übersetzte und die deutsche Übersetzung mir einschickte.

Wüßten Sie, wie ich glücklich bin über Ihre Worte.

Als ich meinem Kameraden Ihren Brief zeigte, meinte er lächelnd: „Manch einer würde sich darum einsperren lassen.“ Nun, das ist nicht wörtlich zu nehmen, Gefängnis ist Schändung von Menschen.

Die Verse der Gefangenen, die ich Ihnen heute schicke – möchten mehr als Verse sein, Briefe, Ruf und Aufruf an Menschen, die sich verantwortlich fühlen und die vorbeigehen an den vergitterten Häusern ihrer Städte, ohne zu ahnen, ohne zu erfassen, welche Schuld sie auf sich laden durch ihre Gleichgiltigkeit. Ich halte inne: Ist die Erde unserer Zeit nicht ein Hexenkessel von Mord und Verbrechen, von Folterung und Aushungerung des Menschenleibs, der Menschenseele?

Ach, wer wird in solchem Chaos meine Stimme hören?

Wen wird sie verpflichten zu höherer Einsicht, zu brüderlicher Menschlichkeit? Die Mächtigen unserer Zeit? Die ihre Völker von Abgrund zu Abgrund führen, sollten für solche Fragen „zehnter Ordnung“ Ohren haben? Nein.

Zu den Künftigen, den Jungen, denen, die an die heilende Kraft der Menschlichkeit glauben, denen die Menschlichkeit eine Realität ist, höher als alle Realität der Tagespolitiker, denen, die selbst Bedrückung fühlten, und die wollen, daß alle Bedrückung aufhöre, zu denen werden die Verse sprechen. Und wenn sie nur ein Samenkorn für spätere Taten sind, so haben sie getan, was Kunst kann.

Von jedem Buch sollten die Worte Whitmans gelten, daß der Leser einen Menschen anrühre. Bei vielen Schriftstellern rührt man eine Wortmaschine an.

Die Wurzel jedes Gedichts ist Erlebnis.

Was wir Form nennen, ist Liebe.