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Ernst Toller (*1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York) war ein deutscher Schriftsteller, Politiker und linkssozialistischer Revolutionär.

#1342 Brief an Betty Frankenstein

Datierung 1935-01-19
Absendeort Edge, Großbritannien
Verfasser Toller, Ernst
Beschreibung

Brief, 6 S., M + Kuvert

Provenienz DLA Marbach, Bestand A:Toller, Zugangsnr. 62.199/87
Briefkopf -
Personen Frankenstein, Betty
Mendelsohn, Luise
Landsberg, Alfred
Landsberg, Leonie
Cohn, Hertha
Schönblum, Anne
Toller, Ernst
Frankenstein, Betty

Liebe Betty,

Sie haben recht, es ist unbillig von mir, um viele Briefe zu bitten. Ich bin schon froh, wenn ich ab und zu ein Lebenszeichen von Ihnen bekomme und die Gewissheit habe, dass Sie gesund werden und sich erholen. Aber bleiben Sie doch um Himmelswillen fürs erste dort. Was lockt Sie in D? Ich kenne Ihre Antwort und Ihr schönes Pflichtgefühl, hätte es einen Sinn zu beginnen und nach kurzer Zeit wieder zusammenzubrechen? –

Ich habe Ihnen eine Weile nicht geschrieben, zuerst waren allerlei Aufregungen, verbunden mit einem Vortrag, den ich in Irland halten sollte, Arbeit und Konferenzen Tag und Nacht, dann packte mich eine Grippe, und ich musste mit hohem Fieber in ein nursing-home. Jetzt bin ich wieder zuhaus, und es geht mir besser. Hoffentlich bin ich am Freitag soweit, dass ich den neuen Vorträgen und dann der Inszenierung in Manchester gewachsen bin. Das Wetter ist greulich. Ich wünschte in Ihrer Sonne zu leben. (Lange hielte ichs zwar nicht aus, die Dinge in D. gehen mich wie je brennend an) –

Das „Landhausglück“ ist von Arbeit erfüllt, und das ist gut so. Ihnen brauche ich gewiss nicht zu schildern, was es Zeit und Kraft kostet, um nur in einem Fall einem Menschen, der es braucht, ein wenig zu helfen. Und die Zahl wächst, und das Elend wird immer grösser. Aber keiner hat ein Recht, vor dem Gebot beizustehen und zu helfen, sich zu drücken – leider tuns nur allzuviele. –

Luise habe ich in L. gesprochen, sie war glücklich Sie gesehen zu haben, und ich habe sie beneidet.

Grüssen Sie Landsbergs herzlich, wunderbar, was die für Sie getan haben.

Der Brief und das Bild zeigen eine veränderte Anne. Reif, innerlich, gewachsen, wahrhaftig. Wie schön ist das für Hertha. (Was gäbe ich darum sie einmal wiederzusehen).

Wenn Sie mir gelegentlich die eine oder die andere Frage meines ersten Briefes beantworten könnten, wäre ich dankbar.

Von Herzen liebe Wünsche,

Betty

Immer

Ihr

Ernst Toller.

Highcroft 19.1.35

The Edge

Stroud

Glouc.