Ernst Toller

1. Lambolle Road,

London N. W. 3.

15. Oktober 1934.

Mein lieber Seggoscha,

ich bin seit zwei Tagen wieder in London und habe schon zwei Vorträge hinter mir. Dass ich auf meiner Reise nicht untätig war, magst Du aus beiliegenden Zeitungsausschnitten ersehen. Ich bin noch erfüllt von den vielen Eindrücken der Reise.

Ein Blick in eine europäische Zeitung und man ist im alten Irrenhaus. Dir und Olinka noch einmal bolschoi spasibo für Eure Hilfe. Ohne Euch hätte ich nur einen Bruchteil gesehen und noch weniger gelernt.

Diese Reise war in vieler Hinsicht entscheidend für mich. Inzwischen kam die Nachricht, dass mein Koffer gefunden wurde und bei Intourist in Odessa aufbewahrt wird. Ich bat, Intourist Moskau, zu veranlassen, dass der Koffer mit dem Schiff von Leningrad an Intourist London gesandt wird. Es wäre sehr lieb von Dir, wenn Du Dich einmal telefonisch darum kümmertest. – Noch eine Bitte. Magst Du mir von allen Aufnahmen je eine Kopie schicken? Etliche wünsche ich mir als persönliches Andenken, andere brauche ich für Aufsätze.

Anfang November werde ich meinen ersten grossen Vortrag über die Reise halten. In Leningrad sprach ich Stenich, der mir erzählte, dass „Feuer aus den Kesseln“ noch in diesem Winter im grossen dramatischen Theater aufgeführt wird.

In Kopenhagen besuchte ich Heli.

Brecht ist in London, ich sehe ihn heute nachmittag.

Ich umarme Dich, Olinka und Tanga,

Euer

Ich lege einen Brief an den Verband sowjetrussischer dramatischer Autoren bei, um deren Weitersendung ich Dich bitte. Sei so gut und gib mir in Deiner Antwort die Adresse dieses Verbandes an, damit ich sie für später habe.